Interview auf 20 Minuten über Trolling
Mittwoch, 27. November
Ein Thurgauer Unternehmen wurde Mitte November in einem Live-Stream digital bedroht. Da es sich um eine Art Cyberbullying handelte, teilte Marc Ruef seine Expertise im Rahmen eines Interviews auf 20 Minuten. So sagt Ruef beispielsweise, dass es den Trollen primär um Machtgefühl geht, dass sie mithilfe von Einschüchterungen und Drohungen Unruhe stiften wollen. Wer von Cyberbullying betroffen ist, kann sich jedoch mit einigen Massnahmen schützen. So ist es laut Ruef hilfreich, die Störaktionen einfach zu ignorieren und die Täterschaft still anzuzeigen, ohne dies online Publik zu machen.
Was hat es mit diesem Phänomen auf sich? Ist das eine neue Form von Cyberattacken oder Cyberbullying?
Cyberbullying umfasst viele verschiedene Aktionsmöglichkeiten. Einschüchterungen und Drohungen sind klassische Mittel, um Unruhe zu stiften. Auch das Bestellen von Essenslieferungen ist seit jeher beliebt, schon lange noch bevor es das Internet überhaupt gab. Den Höhepunkt erreichen solche verurteilungswürdigen Aktionen im sogenannten “Swatting”, bei dem Feuerwehr oder Polizei unter Vorspiegelung falscher Tatsachen aufgeboten werden.
Wer sind die Leute, die das tun? Weshalb tun sie dies? Was sind ihre Motivationen?
Es gibt zwei Hauptmotivationen, warum sogenanntes Trolling durch Täter angestrebt wird. Einerseits schwelt vielleicht ein Konflikt zwischen den Parteien. Zum Beispiel wegen ausstehender Zahlungen oder weil man einem Mitbewerber unlauteren Wettbewerb vorwirft. Andererseits geraten besonders reichweitenstarke Streamer in den Fokus, weil durch die anhaltenden Sticheleien entsprechende Reaktionen provoziert werden können. Durch die Sichtbarkeit dieser Reaktionen und die Skalierbarkeit dank der Reichweise kann das Gefühl von Macht erhascht werden. Und dies aus dem heimischen Wohnzimmer, ohne sich selber konkret exponieren zu müssen.
Sind das oftmals organisierte Gruppen oder kann sich in einem Onlinechat schnell eine eigene Dynamik entwickeln und die Situation eskaliert dann?
Ein solches Trolling findet seinen Ursprung in der Regel durch Einzelpersonen. Die Gruppendynamik kann jedoch schnell mitspielen, wodurch eine “Troll-Bubble” entsteht. Dabei handelt es sich praktisch nie um zentral geführte und konsequent orchestrierte Aktivitäten. Stattdessen muss man das eher als autonom agierende Splittergruppen verstehen, die sich gegenseitig motivieren können und übertrumpfen wollen.
Hat dieses Phänomen nun zugenommen mit der Möglichkeit von Livestreams, Social Media, etc.?
Ja, die Verbreitung des Internets und die gestiegene Wahrnehmung von Internet-Kultur-Phänomenen, wie dem Trolling, haben zu einem Anstieg dessen geführt
Obwohl die Betroffenen mehrere Accounts direkt blockierten, tauchten nach wenigen Sekunden wieder neue Troll-Accounts auf. Wie machen die “Täter” das?
Das Erstellen von mehreren Konten innert kürzester Zeit ist mit einem gewissen technischen Aufwand ohne Probleme möglich. Es zeugt von einer überhöhten Motivation der Täter. Tatsächlich ist es empfohlen, konkrete Störenfriede – vor allem wenn sie gegen geltende Gesetze verstossen – zu blockieren. Falls der Aufwand zum Blockieren geringer ist, als der Aufwand ein neues Konto zu erstellen, wird es den Störenfrieden irgendwann verleiden. Zeitglich können sie aber auch durch diesen Widerstand motiviert werden.
Wie kann man sich vor solchen Angriffen schützen?
In vielen Fällen ist es ratsam, die Störaktionen einfach zu ignorieren. Denn viele Trollversuche fruchten nur dann, wenn sie eine Reaktion zu provozieren in der Lage sind. Die Täter verlieren dann über kurz oder lang schlichtweg das Interesse und suchen sich ein neues Ziel. Straftatbestände, wie Drohungen, sollten zur Anzeige gebracht werden. Und zwar lautlos. Also nicht gross im Stream oder im Blog erzählen, dass man nun die Polizei aufsuchen wird. Das spielt den Trollen nur in die Hände. Einen allgemeinen präventiven Schutz gibt es nicht. Egal in welchem Bereich man aktiv ist und welcher politischen Gesinnung man angehört: Es wird immer ein Grüppchen geben, das es amüsieren wird, wenn man sich ärgert. Diesen Gefallen sollte man ihnen nicht tun.
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