KI bleibt uns treu - In guten wie in schlechten Zeiten

KI bleibt uns treu

In guten wie in schlechten Zeiten

Marisa Tschopp
von Marisa Tschopp
Lesezeit: 13 Minuten

Keypoints

So steht es um Künstliche Intelligenz wirklich

  • 2019 wird das Jahr der (KI-)Aufklärung, welches faktenbasierte Aussagen und deutlichere definitorische Abgrenzungen hervorbringen wird
  • Im Fokus der Aufklärung stehen Ethik, Privacy, Security, Open Science, Interdisziplinarität, Internationalität und eng definierte, praktische Anwendungen
  • Die Rolle von Privacy und Security sowie Abgrenzung im Kontext KI wird klarer werden
  • Ein KI und Ethik Showdown wird zeigen, was nötig und was machbar ist sowie scheinheilige gute KI entlarven
  • Open Source (und Science) und interdisziplinäre Zusammenarbeit werden deutlich ansteigen
  • In der Praxis wird der Fokus zurück auf den Menschen und stärker auf Symbiosen gelegt: Angst vor Jobverlust als auch die übertriebenen Versprechen nach mehr Effizienz werden aufgelockert und engdefinierte KI-Applikationen werden implementiert

Wie immer erscheinen um die Jahreswende unzählige Abschluss- und Vorschauberichte, die helfen sollen zu verstehen, was im nächsten Jahr passieren könnte, worauf es in der Strategieplanung ankommt, womit zu rechnen ist. So auch der scip Cybersecurity Forecast von Marc Ruef, Leiter des Titanium Research Departments. Doch wie steht es um das (noch?) Mega-Thema KI? Die vier grossen Reaktanz-Reaktionen behalten nach wie vor die Vorherrschaft: Widerstand, Skeptizismus, Verleugnung und Verharmlosung. Jedoch bleibt Die Eine die Menschheit quälende Frage unantastbar, welche immer wieder Neue aufgewärmt wird: wann erreicht und übersteigt künstliche Intelligenz die menschlichen Fähigkeiten? Die Antwort ist seit 1950 die gleiche: In 20 Jahren.

Am Haken der Bots

Die Situation erinnert an die Folge Am Haken aus der TV Serie How I Met Your Mother. Der Hauptdarsteller Ted Mosby hängt am Haken einer Frau, die behauptet, sie möchte gerne mit ihm zusammen sein, kann aber im Moment nicht. Sie nutzt Ted für ihre Zwecke, bis sie etwas Besseres gefunden hat. Selbst das Üben mit einem süssen Tea-Cup Schweinchen hilft nicht, das loszulassen, was keine Zukunft hat. So wird aus dem geplanten Nein, doch immer ein Noch nicht, welches eine kleine Hoffnung auf eine weit entfernte, gemeinsame Zukunft offenlässt.

So stellt sich die Frage, sind wir am Haken der KI? Milliarden werden in Forschung und Start-ups investiert, tausende neue Stellen und Berufe, rund um den Mythos des Data Scientists entstehen, Studiengänge zum Thema KI schiessen zu Massen aus dem Boden. Jeder erhofft sich eine rosige Zukunft mit KI. der KI-FOMO sorgt nicht selten für übereilte Entscheidungen.

Für den Ottonormalverbraucher bleiben die grossen Errungenschaften aus, Siri kann immer noch keine Rätsel lösen, wir sterben immer noch eher durch die menschliche Hand als durch Killerroboter, was doch viel spannender wäre. Immer wieder werden Mythen rund um KI entmystifiziert und die Frage nach den tatsächlichen Fähigkeiten bringt eher ernüchternde Ergebnisse. Der Hype flacht ab, wir wollen uns vom Haken lösen, doch dann plötzlich wieder eine Sensation: Google Duplex kann Termine beim Friseur machen ohne, dass es als KI erkannt wird und die entfernte KI Zukunft ist wieder in greifbare Nähe gerückt. Das Spielchen geht von vorne los. Wir sind wieder am Haken.

Hin und wieder zurück: Der Hype Cycle 1950 – 2019

Prof. Dr. Tania Peitzker, CEO und Aktionärin von BaaS-velmai Ltd, Schöpferin von Mixed Reality AI Bots, sieht in dem ständigen hin und her von Hype und Abschwung seit 1950, jetzt die eigentliche Chance:

In den letzten 6 Jahren wurde ein überaus vielversprechender Hype-Zyklus von Chatbots beobachtet. Was bleibt uns noch übrig? Der vorhersehbare Abschwung nach der Euphorie ist die produktivste Zeit für die wirklichen Deals, nun da sich der Staub gelegt hat. Wir sehen in den nächsten 6 Jahren mehr direkte Anwendungen der Technologie, um kommerzielle Probleme mit einer hohen Komplexität zu lösen. Das Konzept des Internets der Dinge wird zum Teil aufgrund der leistungsstarken Bots-as-a-Service anstelle der bisherigen einfachen Anwendungen mit eingeschränkter Natural Language Processing-Funktionalität greifbar.

Beth Carey teilt diese Ansicht. Sie ist CEO des Machine Intelligence Startup, Pat Inc, welches menschliche Sprache für Computer, basierend auf Bedeutung (Semantik) repräsentiert (Natural Language Understanding). Pat Inc hat einen preisgekrönten NLU Algorithmus entwickelt, um den Bedürfnissen echter Kommunikation mit Devices entgegenzukommen. Diese Aussagen decken sich mit Gartners Hype Cylce, wo es heisst, dass der Höhepunkt des Hypes erreicht wurde, worauf der ernüchternde Sturz in die Tiefe folgt. Firmen wie diese wollen nun in den Übergang zur Produktivität fördern.

Die Zukunft von Digitalen Assistenten

Wie kann diese Produktivität letztlich aussehen? Es scheint, dass der Zugang zu KI etwas neutraler wird, sicher auch deshalb, da viele Erfahrungen mit mangelhaften Bots zu Enttäuschungen geführt haben. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen dabei die digitalen Assistenten, wie Siri oder Alexa, da diese künstliche Intelligenz für die Allgemeinheit greifbarer machen. Sicher ist, dass das Potential der Conversational KI noch nicht ausgeschöpft ist, wenn auch die Herangehensweise sich zunehmend verändert: Realistischer, skeptischer, neugierig, ausgerichtet auf Symbiose und einfache Anwendungen, die gut gemacht sind und funktionieren. Sie bringen ein wenig Effizienz, ein wenig Freude für Tech-Enthusiasten und lassen genug Raum für Menschlichkeit und vor allem, Freiheit auszuwählen, ob Mensch oder Maschine. Das bedeutet, dass eine gesunde Synthese geschaffen wird aus Aufgaben, welche von Menschen und welche von Maschinen gelöst werden können. So kann KI scheibchenweisen, eher unmerklich eingeführt werden, die sogenannte Salami-Technik, um damit die Reaktanz (Widerstand) zu reduzieren und Wahrscheinlichkeit der Adoption zu erhöhen.

Das “Titanium Research Team”?:research arbeitet weiter an Lösungen, welche die menschlichen Stärken mit jenen einer schwachen, aber gut funktionierenden KI vereinbaren kann. Das Testen der KI bleibt dabei ein unumgänglicher Teil, welche mit der Weiterentwicklung des A-IQ zum fixen Forschungs- und Anwendungsschwerpunkt integriert wurde. Welche Komponenten im menschlichen Part ausschlaggebend sind, so zum Beispiel im Akzeptanz- und Adoptionsverhalten oder im Aufbau und Pflege einer Vertrauensbeziehung zu Technologie, sind die grossen Schwerpunkte auf psychologischer Seite. Als Co-Organisatoren der Applied Machine Learning Conference in Lausanne, wird das Forschungsteam mit renommierten Experten über die Zukunft digitaler Assistenten diskutieren.

Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie ein Austausch zwischen Praxis und Wissenschaft wird entscheidende Vorteile bringen, nicht nur auf Ebene der Weiterentwicklung der Technologie, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene. Dort werden ein gesunder Skeptizismus und klare, faktenbasierte Kommunikation dazu führen, dass die Erwartungen realistisch, die Ziele wohlwollend und Missbrauch verringert wird. Selbstverständlich, kann ein Missbrauch der Technologie nie komplett eliminiert werden, das ist auch nicht das Ziel. Wichtig ist, dass gesellschaftliche Normen und Standards aufgestellt und etabliert werden. Von der Etablierung sind wir noch recht weit entfernt, aber die Bemühungen, z.B. seitens IBM oder etliche Forschungsgelder vom Staat, sind richtungsweisend. Wie konkret sich all die guten Intentionen umsetzen lassen, wird sich im grossen Ethics-Showdown zeigen.

Der Ethics Showdown

Mit der Angst und Unsicherheit um KI, die teilweise sehr berechtigt ist, steigt auch der Ethik-Boom. Besonders das KI-Rennen zwischen USA und China sorgt für grosse Unsicherheit, die weit über Angst was zu verpassen hinaus geht (FOMO). Dabei spielt nicht nur die Angst um die Revolution des Arbeitsmarktes eine Rolle, sondern auch die Angst vor den Menschen selbst. Angst vor den Menschen, die KI entwickeln; diese, die sie naiv benutzen; und diese, die sie absichtlich benutzen, um anderen zu schaden, sei es durch Waffen oder durch Cyberangriffe. Solange es Menschen gibt, die bösartig sind und eine Technologie zu bösartigen Zwecken gebrauchen, solange wird es Technologie und Maschinen-Ethik geben (also für immer).

Fakt ist, dass jeder noch so gute, ethisch korrekte Algorithmus, uns nicht vor der Bösartigkeit und Unzulänglichkeiten der Menschen schützen kann. Da kein Mensch perfekt ist, wird auch eine Maschine und ihre Algorithmen niemals perfekt sein. Dort liegt eines der grössten Missverständnisse: Die Erwartungshaltung, dass eine KI immer korrekt handeln muss. Dieser Tag wird niemals kommen, ebenso wenig wie der Tag, an dem ein Mensch immer korrekt handeln wird (unabhängig von der Frage danach, was korrekt ist).

Für Nicht-Ethiker oder Moralphilosophen ist das Thema Ethik unglaublich schwer zu fassen. Selbst für Wissenschaftler aus verwandten Disziplinen, z.B. Psychologen, sind Ausrichtung, Fragestellungen und Methoden gänzlich andere. Weder von einem Informatiker noch von einem Psychologen kann eine fundierte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema KI und Ethik verlangt werden. Es braucht unglaublich viele Menschen und Ressourcen, um sinngerecht an dem Thema zu arbeiten. Ob die ganzen Investitionen mehr sind als nur eine Kostenstelle, must- oder nice-to-have, muss sich zeigen.

Abhilfe will hier das Future of Life Institute schaffen. Es ist eine bedeutende Instanz in diesem Gebiet, welches unter anderem von Max Tegmark gegründet und von Koryphäen wie Nick Boström und Stephen Hawking beraten wurde. Sie haben eine visuelle Mindmap erstellt, die eine hervorragende Übersicht über KI und humane Werte liefert. Spätestens dann wird klar, wie schwierig das Thema ist: Die Hauptsäulen sind Validation, Verification, Ethics, Governance, Foundations, Control und Security. Die einzelnen Verzweigungen enthalten kurze Beschreibungen zum jeweiligen Thema. Jedes der Subthemen ein Studiengang für sich, wenn man so will. Es ist sicher von Vorteil, sich mit dem Thema zu beschäftigen, auch wenn man nie alles verstehen kann. Deswegen ist wieder interdisziplinäre Zusammenarbeit gefragt. Jeder hat seinen Job und trägt zum grossen Ganzen bei, in dem er sich auf seinen Job konzentriert und das, was er macht gut macht anstatt alles nur ein bisschen gut (oder schlecht) zu machen. Die gute alten Triple-Bottom-Line kommt hier voll zum Tragen. Auch im Kontext KI kann es ideal als Framework für langfristigen, nachhaltigen Benefit genutzt werden.

Das Titanium Research Department orientiert sich an der Triple-Bottom-Line und setzt sich intensiv mit den individual- und sozialpsychologischen Komponenten im Zusammenspiel mit den jeweiligen technologischen Anforderungen in einem eng definierten Kontext auseinander. Grössere Fragestellungen, zum Beispiel, wie schafft man Vertrauen zu KI, ist ein wichtiger Teil der Was macht gute KI aus Debatte. Um dort eine bestmögliche Antwort zu erarbeiten, braucht es schlichtweg weitere Perspektiven. Daher wirkt das Titanium Research Department zusätzlich noch an der Applied Machine Learning Conference am Track AI & Trust mit.

Dabei werden die folgenden Hauptfaktoren diskutiert:

  1. Privacy
  2. Security
  3. Good AI Best Practices
  4. Vertrauen in KI (Trusting AI: organisiert vom Titanium Research Department)

Von der Forschung in die Praxis

Diese Erkenntnisse werden dann entsprechend zur Weiterentwicklung des Artificial Intelligence Testings (A-IQ) genutzt, aber auch in Praxisapplikationen im Human Resources oder in der Hotellerie. Durch die Integration von organisationspsychologischen Ansätzen, richten sich die Anwendungen immer auf eine Symbiose von Mensch und Technologie aus, um den maximalen Nutzen zu generieren, entlang der Triple-Bottom-Line. Gerade in den Bereichen Hotellerie oder HR ist der Faktor Mensch natürlich zentral, was besonders viel Abstimmung und Abgrenzung in Kooperation mit Praxispartnern bedeutet.

Fazit

Abstimmung macht zwar vieles besser, ist aber gleichzeitig auch immer mit mehr Aufwand und Kosten verbunden. Ob sich das lohnt, wird sich zeigen. Was wird also passieren in 2019? Wahrscheinlich nicht viel. Und das ist gewissermassen auch gut so. Doch muss man dem Hype auch einen gewissen Dank aussprechen, denn nur so gelangt das Thema KI auch in die breite Öffentlichkeit, denn die wenigsten lesen in der Bahn kurz ein wissenschaftliches Paper mit dem Titel Domain Adaptions for large-scale sentiment classification: A deep learning analysis, welches durchaus interessant ist in Bezug auf Verbraucherkommentare auf Amazon und Co.

Fakt ist aber, Killer-Roboter Schlagzeilen ziehen einfach nach wie vor am besten und generieren am meisten Aufmerksamkeit und Faszination. Immer mehr Nicht-Technologen setzen sich mit dem Thema KI auseinander und versuchen ihre eigene Meinung und Einstellung dazu zu finden, was einen grossen Beitrag zu künftigen Entwicklungen von KI leistet. KI ist in einer Reihe mit den wichtigen gesellschaftlichen Fragestellungen zu Klimawandel, Impfung, oder Wahlbeteiligung. Nicht jeder kann sich für alles einsetzen, aber jeder kann etwas lernen und bewegen, wenn er das möchte.

Über die Autorin

Marisa Tschopp

Marisa Tschopp hat ihren Master in Wirtschaftspsychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München absolviert. Als Doktorandin am Leibniz Institut für Wissensmedien ist sie aktiv in der Forschung zu Künstlicher Intelligenz aus Humanperspektive, wobei sie sich auf psychologische und ethische Aspekte fokussiert. Sie hat unter anderem Vorträge an TEDx Events gehalten und vertritt die Schweiz als Ambassador in der Women in AI Initiative. (ORCID 0000-0001-5221-5327)

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