Diversify AI - Die Schweiz will mehr Diversität in KI

Diversify AI

Die Schweiz will mehr Diversität in KI

Marisa Tschopp
Marisa Tschopp
Dr. Natalia Lyarskaya (extern)
Dr. Natalia Lyarskaya (extern)
Dr. Dorothea Baur (extern)
Dr. Dorothea Baur (extern)
Jauwairia Nasir (extern)
Jauwairia Nasir (extern)
am 24. Juni 2021
Lesezeit: 12 Minuten

Keypoints

Vielfältige Wege, dem Mangel an Vielfalt zu begegnen

  • Die Schweiz ist ein vertrauenswürdiger Knotenpunkt für Innovation und künstliche Intelligenz (KI) in der Welt
  • Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, dass KI in der Schweiz vor den gleichen Herausforderungen steht wie andere Länder, wenn es um Diversität geht
  • Aktuelle Daten zeigen die strukturellen Probleme auf, die dem Gender Gap unter KI-Fachleuten zugrunde liegen
  • Vor diesem Hintergrund bedeutet die Geschlechterlücke, dass die Menschen, die KI-Systeme bauen, nicht repräsentativ für die Menschen sind, denen diese Systeme dienen sollen
  • Das signifikante Wachstum unter Frauennetzwerken und Communities im digitalen Segment ist ein Grund zur Hoffnung

Seit 2017 gibt es ein signifikantes Wachstum von Frauennetzwerken und Communities im digitalen Bereich, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Anzahl der Frauen, die in der Schweiz in der ICT-Branche arbeiten, zu erhöhen, das Bewusstsein für die aktuelle Geschlechterlücke in der KI zu schärfen, bei Bedarf Unterstützung zu bieten, Mentoring und Skill-Kurse anzubieten und Frauen beim Vorankommen zu helfen. Eine dieser Gruppen ist Women in AI, mit ihrem DACH-Cluster Deutschland, Österreich, und einer neu formierten Schweizer Sektion. Das Team, bestehend aus qualifizierten und ehrgeizigen Frauen mit unterschiedlichem Hintergrund, ist auf einer Mission, das Problem des Gender Bias anzugehen und die Vielfalt in der KI in der Schweiz zu erhöhen, einschliesslich ethnischer und kultureller Inklusivität.

Die Schweiz ist zweifelsohne eine vertrauenswürdige Drehscheibe für Innovation und Künstliche Intelligenz in der Welt. Dank der Präsenz weltweit führender akademischer Forschungseinrichtungen und industrieller Innovationslabore, gehört die Schweiz regelmässig zur Spitzengruppe, wenn es um KI geht. In den letzten zehn Jahren belegte sie laut Global Innovation Index (WIPO) den 1. als Top Innovationswirtschaft. Die Schweiz führt auch den Global Talent Competitiveness Index (INSEAD) an und fördert unternehmerische Talente, die als Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit der Nation identifiziert wurden.

Die Schweiz beherbergt auch viele führende KI-Forschungsinstitute: Die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen ETH Zürich und EPFL in Lausanne, das IDSIA in Lugano, das Forschungsinstitut IDIAP in Martigny, um nur einige zu nennen. Der hohe Output dieser Institutionen ermöglichte es der Schweiz, im internationalen Vergleich die dritthöchste Anzahl an KI-Patenten im Verhältnis zur Einwohnerzahl zu erhalten. Dank ihrer traditionellen Stärke in der Life-Sciences-Branche schneidet die Schweiz bei KI-Patenten im Gesundheitsbereich besonders gut ab.

Die Nähe zur Spitzenforschung hat dazu geführt, dass eine beträchtliche Anzahl globaler Tech-Unternehmen ihre KI-Forschung von der Schweiz aus betreibt. Multinationale Tech-Führer wie Google, IBM, HP, Microsoft, Novartis, Apple und viele andere haben ihre Innovationslabore und “Brain Center” in diesem Land eingerichtet, um ihre genialen Innovationstechnologien voranzutreiben.

Die Schweiz hat ein Diversity-Problem (wie andere Länder auch)

Das klingt alles hervorragend, nicht wahr? Doch es gibt einen Haken. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, dass die KI in der Schweiz fest in männlicher Hand ist – oder sollten wir sagen, in männlichen Gehirnen? Die Zahlen sprechen für sich: Obwohl die Schweiz weltweit zu den Top-Adoptern von neuen Technologien, einschliesslich KI, gehört, ist sie ein hartes Pflaster für die meisten aufstrebenden berufstätigen Frauen. Nicht nur, aber auch für diejenigen, die im Bereich Technologie und KI arbeiten. Laut der Studie The Global Gender Gap, die vom World Economic Forum und dem Netzwerk LinkedIn durchgeführt wurde, sind in der Schweiz nur 19 % der Frauen als KI-Professionelle positioniert, im Gegensatz zu 22 % weltweit. Zum Vergleich: Die Nachbarländer Frankreich und Italien schneiden noch besser ab – mit 21 % bzw. 28 %.

Die Unterrepräsentation von Frauen beginnt jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich auf Universitätsebene. Es besteht eine erhebliche Kluft zwischen Männern und Frauen, die eine Ausbildung in den Bereichen Naturwissenschaften, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik (MINT) absolvieren: Männer tun dies dreimal so häufig (11,5 % der Frauen gegenüber 37,5 % der Männer).

Gender Gap in MINT Fächern in der Schweiz

Gender Gap in MINT Fächern in Frankreich und der Schweiz

Diese Daten verdeutlichen die strukturellen Probleme, die dem Geschlechtergefälle bei KI-Fachleuten zugrunde liegen. Die unterschiedlichen Karrierewege, die Männer und Frauen auf dem heutigen Arbeitsmarkt einschlagen, verschärfen die ungleichen Chancen beim Erwerb von aufstrebenden und gefragten Fähigkeiten noch weiter. Die Auswirkungen dieses Gender Gaps bei der Entwicklung von KI und anderen aufstrebenden Technologien gehen jedoch über die blosse Sorge um “gleiche Karrierechancen” oder “Vertretung am Arbeitsplatz” hinaus, wenn wir bedenken, dass Systeme der künstlichen Intelligenz (KI) weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Bereiche unseres Lebens haben werden: Wenn KI-basierte Mustererkennung oder sogar Entscheidungsfindung im Finanzwesen, im Gesundheitswesen, in Bildungstechnologien, im Justizsystem, im Recruiting, in der Modeindustrie oder sogar bei der Partnersuche zum Einsatz kommt, wird jeder und jede von uns auf die eine oder andere Weise davon betroffen sein. Vor diesem Hintergrund bedeutet der Gender Gap, dass die Menschen, die KI-Systeme bauen, nicht repräsentativ für die Menschen sind, denen diese Systeme dienen sollen.

Um es noch einmal zu wiederholen: Frauen sind auf jeder Stufe des Systems unterrepräsentiert: Von der Identifizierung möglicher Probleme, die durch KI gelöst werden können, über die Erstellung von Datensätzen bis hin zum Aufbau von KI-Lösungen, um nur einige zu nennen. Einen grossen Teil der Bevölkerung nicht in den Designprozess einzubeziehen, würde bedeuten, eine Welt zu bauen, die nicht für jeden geeignet ist. Das Fehlen von Diversität, einschliesslich der Geschlechtsidentität, birgt nicht nur die Gefahr, eine ungleiche Machtverteilung in der Belegschaft zu schaffen, sondern, was ebenso wichtig ist, verstärkt bestehende Ungleichheiten, die von KI-Systemen erzeugt werden, reduziert den Spielraum von Individuen und Organisationen, für die diese Systeme arbeiten, und trägt zu ungerechten Outputs bei (siehe als Referenz z.B. das Gender Shades Projekt, Joy Buolamwinis Arbeit).

Auf einer Mission für mehr Vielfalt und Inklusion in der KI

Es gibt jedoch Grund zur Hoffnung: Seit 2017 gibt es ein deutliches Wachstum von Frauennetzwerken und Communities im digitalen Bereich, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Anzahl der Frauen in der ICT-Branche in der Schweiz zu erhöhen, das Bewusstsein für den aktuellen Gender Gap in der KI zu schärfen, bei Bedarf Unterstützung zu leisten, Mentoring und Skill-Kurse anzubieten und Frauen weiterzubringen. Siehe z.B. die Konferenz Wetechtogether, die ein breites Spektrum an Schweizer Communities zusammenbringt.

Non-Profit Communities in der Schweiz

Eine dieser Gruppen ist Women in AI, mit ihrem DACH-Cluster (Deutschland, Österreich, Schweiz) und einem eigenen Schweizer Chapter. Mit einem neu gegründeten Team von hochqualifizierten und ambitionierten Frauen mit unterschiedlichem Hintergrund, haben sie sich zum Ziel gesetzt, Probleme, z.B. rund um Gender Bias, zu lösen und die Vielfalt in der KI in der Schweiz zu erhöhen, einschliesslich ethnischer und kultureller Inklusion innerhalb ihrer Mission.

Women in AI Chapter Schweiz

Als Teil der globalen Women in AI Community will das Team Schweiz eine Gemeinschaft von Experten und Expertinnen im Bereich der KI zusammenbringen, mit dem Ziel, die Repräsentation von Frauen in der KI zu erhöhen und zukünftige Generationen von weiblichen Führungskräften in der KI zu inspirieren und zu unterstützen. In der Schweiz wird das Team durch eine Gruppe von geschätzten professionellen Führungskräften und aufstrebenden Akademikern repräsentiert, die aus verschiedenen Hintergründen mit unterschiedlichen Fachgebieten und von beruflichen Ebenen herkommen. Das Team besteht aus Experten für KI-Ethik und Governance, für angewandte KI/ML und Robotik, für KI-Forschung sowie für Innovation und digitale Transformation.

Wir verstehen uns als eine Arbeitsgruppe. Wir dienen der Schweizer Bevölkerung, von der Forschung bis zur Praxis, und tun, was wir können, um mit unseren Partnern und Freunden Probleme zu lösen. Und gestalten so die Zukunft des Landes mit, das wir lieben. Sagt Marisa Tschopp, die die Gruppe orchestriert.

In Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern wie SwissCognitive (The Global AI Hub), EPFL, TechFace (Community Recruiting), CLAIRE (Confederation of Laboratories for Artificial Intelligence Research in Europe), scip AG (Cybersecurity) – sowie mit den Peer-Communities – z.B. IWIS (International Women in Science), hilft Women in AI Switzerland bei der Organisation von Veranstaltungen rund um KI sowohl für Erwachsene – inhaltsbezogene Konferenzen und Workshops – als auch für Vorträge zu Themen wie Diversität in der KI, Vorurteile in der KI, etc., und engagiert sich auch für Kinder und junge Erwachsene, indem es Bildungscamps zu KI und Robotik, Tech- und Mentoring-Sessions und Workshops zur Stärkung des Selbstvertrauens organisiert.

Women in AI Educational Lead

Das Ziel der oben erwähnten Veranstaltungen rund um KI für Erwachsene ist es, nicht nur jene Frauen und Männer anzusprechen, die bereits an die Notwendigkeit einer inklusiven KI glauben und ihr zustimmen, sondern auch jene Politiker und Entscheidungsträger einzubinden, die eine unverhältnismässige Vertretung von Frauen nicht als Problem sehen. Darüber hinaus ist das Engagement des Teams, Kinder und jüngere Erwachsene einzubeziehen, von der Überzeugung inspiriert, dass die Denkweise eines Menschen in diesem frühen Alter von den stereotypen Rollen geprägt wird, die die Gesellschaft mit Mädchen und Jungen assoziiert; denn diese beeinflussen stark, wenn nicht besser damit umgegangen wird, das Selbstverständnis. Sagt Jauwairia Nasir, Leiterin der Taskforce Bildung in der Schweiz.

Mit dem Ziel, das Bewusstsein für den Gender Gap in der KI zu schärfen sowie mehr Bildungsinhalte für alle zu generieren, beteiligt sich Women in AI an der Erstellung von Berichten – sowohl geschäfts- als auch technikorientiert, an der Forschung an der Schnittstelle von Wissenschaft und Industrie und am Austausch wissenschaftlicher Informationen über Online-Blogs und soziale Netzwerke. Siehe zum Beispiel den AI for Gender Equality Report, entwickelt von einem globalen Komitee (WAI Schweden, Schweiz, Irland, Australien und Mexiko).

Ausblick

Es wird erwartet, dass der weltweite Markt für künstliche Intelligenz im Jahr 2025 169.411,8 Mio. $ erreichen wird und von 2018 bis 2025 mit einer CAGR (Compound annual growth rate) von 55,6% wächst, und die Schweiz spielt eine aktive Rolle auf dieser spannenden Reise. Aber wir müssen sicherstellen, dass alle an Bord sind. Jetzt ist es an der Zeit, die derzeitige Geschlechterentwicklung umzukehren und sicherzustellen, dass Künstliche Intelligenz ein Feld ist, das inclusive by design ist, dass die durch KI geschaffenen wirtschaftlichen Möglichkeiten die bestehenden Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern nicht verstärken und, dass neue KI-Systeme den Bedürfnissen der Gesellschaft insgesamt dienen. Die Schweiz befindet sich auf einer wichtigen Mission, um die Diversität in der KI zu erhöhen, und Women in AI ist, neben vielen anderen, stolz darauf, ein Teil davon zu sein.

Über die Autoren

Dieser Artikel wurde von einer Arbeitsgruppe verfasst.

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