Interview zu Tatort mit Darknet-Thematik

Interview zu Tatort mit Darknet-Thematik

Dienstag, 21. März 2017

Am gestrigen Sonntag lief die jüngste Episode des Tatort. Dieser setzt sich mit den zwielichtigen Aktivitäten im Darknet auseinander. Verschiedene Medien wollten von uns wissen, ob und inwiefern die gezeigten Szenen der Realität entsprechen. Unter anderem wurden Interviews durch den Hessischen Rundfunk und die Tageszeitung 20 Minuten publiziert. Das Original-Interview, das mit dem Journalisten Stefan Wehrle geführt wurde, lesen Sie hier.

Sie haben sich “Borowski und das dunkle Netz” angesehen. Ihr erster Eindruck?

Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es sehr schwierig ist, ein technisches und komplexes Thema wie Cybercrime einem fachfremden Publikum schmackhaft zu machen. Deshalb war ich umso mehr erstaunt, dass man hier überdurchschnittlich gute Arbeit geleistet hat. Die Folge hat mir eigentlich auf ganzer Linie gefallen, ein Kompliment an die Macher!

In der Tatort-Folge geht es um das Darknet und Hacker. Wie realistisch werden diese Themen dargestellt?

Die technischen Hintergrunde wurden gut illustriert. Das Vorgehen der Täter und die Möglichkeiten der Ermittlungsbehörden entsprechen dem Stand der Dinge. Abgesehen von technischen Aspekten wurde aber auch den subkulturellen Eigenschaften mit einer hohen Liebe zum Detail Rechnung getragen. Es gab eine Menge “Insider-Jokes”, die vielen Zuschauern verborgen geblieben sein dürften: Der mehrmalige Hinweis darauf, dass man für die Cybercrime-Ermittlungen zu wenig Budget hat, man auf eine forensische Auswertung manchmal Monate warten muss, die meisten Auftragsmorde im Darknet sowieso Fakes sind, man neu mit den Möglichkeiten des Landeskriminalamt BLKA mithalten und technisch doch nicht einer NSA das Wasser reichen kann – Das waren alles sehr konkrete Aussagen, die man auch in Ermittlerkreisen hört.

Wie werden diese Themen beispielsweise in Hollywood-Filmen dargestellt?

Im Gegensatz zu den meisten Hollywood-Filmen hat man es geschafft, Wahrheit und Fiktion in Einklang zu bringen. Dies ist sicher auch der hohen Anforderung geschuldet, den Zuschauer nicht für dumm halten zu wollen. Es wäre sehr viel einfacher gewesen, mit wirren Technologie-Diskussionen über fachliche Ungereimtheiten hinwegzutäuschen. Das war aber hier gar nicht nötig. Abgesehen von der unglücklichen Live-Forensik des Smartphones und der kuriosen Szene mit dem Virus, der die Sprinkleranlage aktiviert (eine Homage an den Kultfilm Hackers der 90er Jahre), habe ich mich an nichts gestört.

Kann man einem Täter der sich im Darknet versteckt überhaupt auf die Spur kommen?

Der gezeigte Fall ist sehr realistisch, sowohl IT-technisch als auch ermittlungstechnisch. Das verlinkte Video ist ein klassisches Beispiel, um die echten IP-Adressen hinter Proxies ermitteln zu können. Das passiert, wenn der Täter einen Fehler macht. Und schlussendlich wird dies über kurz oder lang passieren. Entweder aus Unwissen oder aus Nachlässigkeit. Diesen einen Fehler muss man finden, eventuell muss man ständig am Puls der Aktivitäten dabei sein, um bei seinem Eintreten sofort zugreifen zu können.

Ist das Darknet wirklich ein Hort für kriminelle Aktivitäten?

Ein Grossteil der Aktivitäten im Darknet hat einen kommerziellen Hintergrund. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Marktplätze und Angebote, welche die Grenze zum Illegalen überschreiten: Drogen, Waffen, Falschgeld, verbotene Pornographie. Man darf aber nicht vergessen, und das wurde durch die beiden “Nerds” im Tatort ebenfalls festgehalten, dass durch Mechanismen wie Tor eine unzensierte Kommunikation möglich wird. Statistische Auswertungen des Netzwerkverkehrs im Rahmen des Arabischen Frühlings haben gezeigt, dass die Dissidenten dadurch eine Orchestrierung ihrer Aktivitäten vornehmen konnten.

Was spricht dafür, dass es das Darknet gibt?

Gesellschaftlich müssen wir uns einig werden, ob, was und wie viel überwacht und eingeschränkt werden soll. Wir sind erst am Anfang dieser Diskussion des digitalen Zeitalters, die vielleicht auch nie zu einem echten Ende kommen wird. Die Bedürfnisse nach Kontrolle und Sicherheit widersprechen den Bedürfnissen nach Freiheit und Kommunikationsmöglichkeit. Solange es die beiden letztgenannten aber gibt, haben Systeme wie das Darknet ihre Daseinsberechtigung. Meines Erachtens ist das Einschränken von Kommunikation immer falsch. Ein “Verbot” des Darknets ist polemische Augenwischerei uninformierter Politiker und zielt am Problem vorbei.

Wie anonym ist man bei der Nutzung des Darknets tatsächlich?

Dies kommt auf die Aktivitäten und Vorkehrungen an. Mit genügend Aufwand und Disziplin ist die De-Anonymisierung eines Täters sehr schwierig. Es gibt jedoch verschiedene technische Möglichkeiten, um eine solche vorzunehmen. Dass die NSA dazu in der Lage ist, falls sie ein High-Value-Target wie den Betreiber von “Silk Road” festnehmen wollen, haben sie in der Vergangenheit mehrfach gezeigt. Die hiesigen Behörden können da in Bezug auf Budget und verfügbares Personal nicht mithalten.

Geraten Nutzer des Darknets gerade besonders in den Fokus von Behörden?

Das Thema ist eigentlich nicht neu, aber in den letzten 3 Jahren durch terroristische Anschläge und Gewaltverbrechen in das Bewusstsein unserer Gesellschaft katapultiert worden. Die Behörden erkennen, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Technisch, personell und fachlich stockt man auf. Die regelmässig in den Medien publizierten Erfolge der Ermittlungsbehörden zeigen, dass man dieses Problem der modernen Gesellschaft nicht wegignorieren kann. Man ist aber noch weit davon entfernt, mit der Professionalisierung bestimmter Akteure im Darknet mithalten zu können. Hier ist die Politik gefragt, die Zeichen der Zeit richtig deuten zu können.

Auftragsmord als Dienstleistung im Darknet, existiert das tatsächlich?

Ja, es gibt verschiedene Angebote, bei denen man Leute für Geld umbringen, vergewaltigen oder verprügeln lassen kann. Viele davon lassen sich als Provokationen oder betrügerische Angebote (Scam) entlarven. Es zeigt sich aber, dass dennoch auch echte Morde in Auftrag gegeben lassen werden können. Zum Beispiel hat das FBI im Rahmen der Ermittlungen um “Silk Road” einen sehr spannenden Chat-Mitschnitt veröffentlicht, der die Verhandlungen für einen solchen Auftragsmord aufzeigt.

Ein verstecktes Muster auf einer vom Laserdrucker ausgedruckten Seite führt auf die Spur des Täters. Ist dies möglich?

Diese “Machine Identification Codes” existieren tatsächlich und werden von handelsüblichen Druckern angebracht. Diese individuellen Signaturen bestehen normalerweise aus kleinen Gelben punkten, die man mit blossem Auge nicht identifizieren kann (0.1 mm). Wie die Codierung genau durchgeführt wird, wird von den Drucker-Herstellern geheim gehalten.

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