Interview zu Cyberkriminalität
Dienstag, 29. Mai 2018
Die Strafverfolgung von Cyberkriminalität erfordert, dass Bund und Kantone zusammenspannen. Zu diesem Thema hat sich Marc Ruef mit dem Journalisten Kilian Küttel im Interview mit der Luzerner Zeitung unterhalten. Dabei sind die letzten 10 Jahre umfangreiche Fortschritte bei der Strafverfolgung zu beobachten, wobei das föderalistische System in der Schweiz eine Zusammenarbeit nicht unbedingt erleichtert. Lesen Sie hier das ungekürzte Interview.
Was ist das Darknet?
Grundsätzlich handelt es sich bei einem «Darknet» um ein autonomes und abgeschottetes Netz. Gemeinhin wird heutzutage ein spezieller Bereich des Internets damit bezeichnet, auf den man nur durch die Nutzung spezieller Technologien oder erweiterter Vertrauensbeziehungen zugreifen kann. In diesem werden spezielle Mechanismen eingesetzt, um ein erhöhtes Mass an Anonymität und Sicherheit gewährleisten zu können.
Welches sind die positiven Aspekte des Darknet?
Ja, das Darknet besteht nicht nur aus illegalen Inhalten und dubiosen Marktplätzen. Tatsächlich wird es gerade in Ländern mit konsequenter Internet-Zensur genutzt, um frei kommunizieren zu können. Statistische Auswertungen des Tor-Verkehrs haben gezeigt, dass das Darknet während des Arabischen Frühlings im Jahr 2010/2011 eine wichtige Rolle gespielt hat. Es wurde durch die Aufständischen genutzt, um sich zu organisieren.
Welchen Stellewert hat es in der Kriminalität?
Wir beobachten, dass einige Kriminelle dank Darknet die «digitale Transformation» für sich erschliessen wollen. Also dass klassische Kriminelle ihre traditionellen Geschäfte auch über das Internet entfalten möchten. Gleichzeit ist mit dem Darknet eine sehr geringe Hürde für Einsteiger gegeben. Vor allem im Drogenhandel möchte der eine oder andere die neuen Möglichkeiten nutzen, um das schnelle Geld zu machen. Etwas, wovon ich in jederlei Hinsicht abraten würde.
Gibt es Auftragsmorde in der Schweiz?
Uns ist kein Fall bekannt, bei dem Akteure aus der Schweiz entsprechende Aufträge über das Darknet orchestriert haben. Es ist aber nicht auszuschliessen, dass auch hierzulande schon über derartige Kanäle kommuniziert wurde.
Wie funktioniert die Strafverfolgung der Schweizer Behörden?
Das Verständnis für die digitale Dynamik der Kriminalität hat sich im deutschsprachigen Raum in den vergangenen Jahren enorm verbessert. Dies belegen die Zunahme entsprechender Festnahmen, gerade in den Bereichen Falschgeld, Drogen und Kinderpornographie. Es freut uns zu sehen, dass man das Thema ernst nimmt und auch im virtuellen Raum eine konsequente Strafverfolgung durchsetzt.
Wie läuft eine solche Ermittlung ab?
Ermittlungen im Internet, auch im Darknet, geht in der Regel ein Verdachtsmoment voraus. Zum Beispiel wenn jemand auf einschlägigen Plattformen Drogen verkauft und als Herkunftsland die Schweiz angibt oder die Schweiz als konkretes Bezugsgebiet ausweist. In einem ersten Schritt wird durch eine passive Informationssammlung versucht Merkmale zur Zielperson zusammenzutragen. Typische Anhaltspunkte sind exotische Benutzernamen, die mit anderen Foren oder Mailadressen in Zusammenhang gebracht werden können. Oder es findet eine Sichtung von Bildmaterial statt, um individuelle Merkmale von Landschaften, Gebäuden oder Fahrzeugen zu erkennen. In diesem Zusammenhang kann auch versucht werden, bestehende Unkenntlichmachungen (z.B. Verpixelung) aufzuheben. Hierbei handelt es sich um klassische Detektivarbeit, bei der am Schluss Provider, IP-Adresse, Wohnadresse oder Name ermittelt werden will.
Was sind die Schwierigkeiten der Ermittlung?
Um in wirklich spannende Kreise vordringen zu können (z.B. Handel von grossen Mengen Drogen), müssen Beziehungen in den entsprechenden Milieus geknüpft werden. Dies ist keine einfache Aufgabe und meist sehr zeitaufwendig.
Typischerweise benutzen Akteure im Darknet zudem verschiedene Verschleierungsmechanismen, um eben ihre IP-Adresse und den Provider verbergen zu können. Hier müssen technische Tricks herangezogen werden, um eine Deanonymisierung erzwingen zu können. Gerade wenn Zielpersonen ein konsequentes Mass an Disziplin an den Tag legen, kann dies sehr zeitaufwendig sein.
Eine Strafverfolgung gerät immer dann ins Stocken, wenn verschiedene Behörden – vor allem länderübergreifend – miteinander zusammenarbeiten müssen. Dies wissen die Kriminellen und sind dementsprechend um eine internationale Ausdehnung ihrer Aktivitäten, oder mindestens der Kommunikationswege, bemüht.
Was sind nachhaltige Massnahmen?
Das Erweitern des Gesetzgebung ist eigentlich nicht nötig, denn ein Grossteil der kriminellen Aktivitäten ist durch bestehende Gesetze adressiert.
Mit technischen Massnahmen können den Akteuren zwar Steine in den Weg gelegt werden. Ein «Verbot» des Darknets würde aber einem Verbot von Verschlüsselung gleichkommen und damit Privatsphäre aller Bürger sowie demokratische Grundwerte angreifen.
Viel mehr liegt es an den Behörden die Prozesse und die Zusammenarbeit zu optimieren. Eine unkomplizierte Strafverfolgung vermag die Kriminellen unter stetigen Druck zu setzen. Ihre Fehlerraten nehmen zu und der eine oder andere wird abgeschreckt. Ein gänzliches Unterdrücken von Kriminalität, auch im Darknet, ist leider ein utopischer Gedanke.
Ist Kriminaliatät im Darknet die Zukunft?
Das ist nur teilweise der Fall. Das Darknet ist in erster Linie ein neuer Kommunikationskanal, der zwar teilweise als Vertriebskanal eingesetzt werden kann. Es ist zwar eine gewisse Verschiebung, manchmal aber auch einfach nur eine Alternative zu bestehenden Strukturen, zu beobachten. Dass sich die Kriminalität aber komplett digitalisieren lässt, liegt nicht in ihrer Natur. Drogen werden auch in Zukunft noch in dunklen Gassen gekauft werden können.
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