Interview zur Analyse von COVID-19 mittels Handydaten

Interview zur Analyse von COVID-19 mittels Handydaten

Montag, 23. März 2020

Die grassierende Pandemie von COVID-19 hält die Welt in Atem. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) möchte die Handydaten nutzen, um die Infektionsrate senken zu können. Dabei stellen sich technologische, gesellschaftliche und rechtliche Fragen. Der Journalist Fréderic Härri hat sich mit Marc Ruef zum Thema unterhalten und fasst einige Aspekte AargauerZeitung, Luzerner Zeitung, dem St. Galler Tagblatt sowie Watson zusammen. Das komplette Interview steht hier zur Verfügung.

Was wäre punkto Überwachung in der Schweiz technisch alles möglich?

Als offensichtliche Massnahme bietet sich tatsächlich die Analyse der Bewegungsdaten von Mobiltelefonen an. Die Telefonprovider können diese zur Verfügung stellen. Als Alternative kann eine Smartphone-App entwickelt werden, die diese Bewegungsdaten direkt an eine entsprechende Bundesstelle schickt, ohne den Provider einzubinden.

Welche Gefahren/Risiken birgt das? Welche Vorteile?

Die Sammlung von Mobiltelefondaten kann mit relativ wenig aufwand umgesetzt werden, da Technologie und Infrastruktur schon vorhanden sind.

Das Sammeln von Daten birgt jedoch stets das Risiko des Verlusts. Dritte könnten diese abfangen oder stehlen. Durch eine Auswertung können persönliche Bewegungsprofile erstellt werden. Dadurch liessen sich Tagesabläufe, Besuche und Kontakte ausmachen. Diese Informationen können missbräuchlich verwendet werden. Aus diesem Grund ist die minimal mögliche Datensammlung, die Anonymisierung persönlicher Daten, der erweiterte Schutz sowie die Vernichtung nach ihrer Nutzung erforderlich.

Ist das Erfassen von Bewegungsdaten grundsätzlich eine effektive Massnahme, um die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen?

Die gesammelten Daten können in vielerlei Hinsicht als flankierende Massnahmen zum Tragen kommen. Bewegungsprofile helfen, das gesellschaftliche Verhalten besser zu verstehen, um bei zukünftigen Pandemien effizienter reagieren zu können. Automatisiert können grössere Ansammlungen frühzeitig erkennt und polizeilich aufgelöst werden. Und Infektionswege lassen sich nachvollziehen, wobei eine automatisierte Alarmierung der Betroffenen stattfinden kann.

Was denken Sie, wie weit wird der Bund gehen bei der Erhebung von Bewegungsdaten? Werden die Daten anonymisiert bleiben?

In der Schweiz wird Datenschutz gross geschrieben. Wir befinden uns jedoch in einem Ausnahmezustand, in dem subjektive Wahrnehmungen und rechtliche Rahmenbedingungen kurzfristig angepasst werden können. In unserer auf Konsens ausgelegten Gesellschaft käme wohl als erstes ein Opt-In Verfahren zum Einsatz, bei dem jeder freiwillig mitmachen kann.

Das Anonymisieren von Daten kann aufwendig und fehlerbehaftet sein. Durch systematische Auswertungen lassen sie sich vielleicht dennoch deanonymisieren. Zudem verlieren die Daten ab einem gewissen Anonymisierungsgrad ihre Wirksamkeit. Hier wird entsprechend eine schwierige Gratwanderung erforderlich.

Wie bewerten Sie die die Bestrebungen zur Erfassung von Bewegungsdaten in anderen Ländern punkto Datenschutz?

Das Verständnis und Bedürfnis für Datenschutz ist kulturell sehr unterschiedlich, von politischen und rechtlichen Paradigmen abhängig. In manchen Staaten wird über die Köpfe der Bevölkerung hinweg entschieden. In anderen wird zuerst eine Volksabstimmung erforderlich. Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo in der Mitte.

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