Interview zu Struktur und Vorgehensweise von Anonymous

Interview zu Struktur und Vorgehensweise von Anonymous

Montag, 28. März 2022

Die Gruppierung Anonymous tut sich unter anderem mit politisch motivierten Aktivitäten im Rahmen der Ukraine-Krise hervor. Die Journalistin Seline Bietenhard hat für die Tageszeitung 20 Minuten ein umfangreiches Interview mit Marc Ruef geführt. In diesem diskutiert er die Hintergründe der Gruppierung, ihre Zusammensetzung, Absichten und Möglichkeiten.

Wie ist Ihre Wahrnehmung von Anonymous?

Es wird oft vergessen, dass es sich bei Anonymous um eine lose Gruppierung handelt. Jeder kann behaupten im Namen von Anonymous zu agieren und macht es dann somit auch. Diese technische, kulturelle und ideelle Heterogenität macht es schwierig, Anonymous nachvollziehbar und voraussagbar zu machen.

Wie soll man das Kollektiv verstehen, eher als Helden oder als Verbrecher?

Was für den einen ein Freiheitskämpfer ist, ist für den anderen ein Terrorist. Ich persönlich bin nicht der Meinung, dass der Zweck die Mittel heiligen darf. Wer gegen Gesetze verstösst, ist per Definition ein Verbrecher.

Stecken mehrheitlich Profis oder auch Amateure dahinter?

Sowohl als auch. Genauso Einzelkämpfer und kleine Untergruppierungen. Anonymous ist weit davon entfernt strategisch geführt und zentral orchestriert zu werden. Die Taktiken erinnern eher an Guerilla- und Partisanenkriege.

Was für Leute machen im Kollektiv mit? Kann das generalisiert werden?

In erster Linie finden sich da Leute mit konkreten politischen Ideologien zusammen, wie zum Beispiel Anti-Kapitalisten und Gegner von “Schurkenstaaten”.

Welchen Stellenwert hat Anonymous in der Gesellschaft (besonders auch aufgrund der aktuellen Ereignisse)?

Anonymous ist wie ein Schwarm, der einerseits in der Masse viel ausrichten kann. Andererseits gelingt ihnen immer wieder ein “Zufallstreffer”, der ihre Ziele empfindlich schädigen kann.

Wie genau hackt man einen Grosskonzern? Man kann ja davon ausgehen, dass solche Konzerne über besonders hohe Level an (Cyber)Security verfügen.

Grosse Organisationen kämpfen unter anderem mit der Herausforderung, ebenfalls eine grosse Angriffsfläche bewältigen zu können. Es werden zum Beispiel eine Vielzahl an Systemen eingesetzt, die ihrerseits Mängel mitbringen können. Somit ist es nur eine Frage der Zeit, dass nach genügend langer Suche eine Schwachstelle gefunden werden kann.

Was sind die Ziele von Anonymous (während der momentanen Lage)?

Was sie machen und ob sie es machen, ist praktisch unmöglich vorherzusehen. Es zeichnet sich aber ab, dass sie in erster Linie Putin-nahe Individuen und Organisationen schädigen wollen. Es ist damit zu rechnen, dass Oligarchen, ihre wirtschaftlichen Verstrickungen und Kollegschaften ins Visier geraten werden. Destruktive DDoS-Angriffe, Erpressungen und Datenleaks werden die Folge sein.

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