Analyse zu vermeintlich fabriziertem Video von Wolodymyr Selenskyj
Dienstag, 29. März 2022
Die Zeitung TagesAnzeiger berichtet über Aktivitäten und Hintergründe des Konflikts in der Ukraine. Unter anderem beschäftigen sich die drei Journalisten Bernhard Odehnal, Philippe Stalder und Hannes von Wyl mit verschiedenen Videoaufnahmen der Konfliktparteien. Eine der Ansprachen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj stand dabei zur Diskussion. Michèle Trebo und Marc Ruef haben eine technische Analyse des Videos vorgenommen, um die Echtheit dessen zu bestimmen. Es verschiedene Hinweise, die auf den Einsatz eines Greenscreens oder einer anderweitigen Komposition hindeuten.
Zusammenfassung
- Die Analyse von Videos auf Online-Plattformen ist immer schwierig, da Details beim Downsampling verloren gehen und Artefakte durch die Kompression auftreten.
- Links von ihm müsste eine relativ helle warmweisse Lampe (~3’300 Kelvin) stehen. Diese müsste ebenfalls Einfluss auf den Schattenwurf des Soldaten im Hintergrund haben. Ein solcher bleibt jedoch aus. Ebenso die beiden Softboxen, die direkt vor ihm stehen und anhand der Reflexion in seinen Augen erkennbar sind.
- Das Licht im Hintergrund, das seine linke Wange streift, hat nicht den erwarteten Einfluss auf seine Barthaare (volumetrisches Schimmern fehlt).
- Der Jump Cut bei 03:27:13 ist sehr verdächtig. Der Schatten des Soldaten bewegt sich, da er seine Position ändert. Nach dem Cut steht er aber noch immer still an der alten Position.
- Der Jump Cut bei 06:24:24 ist verräterisch. Der Soldat im Hintergrund verharrt in der gleichen Position. Dies bedeutet, dass der Cut kein echter Cut, sondern lediglich ein nachträglich im Schnitt angefertigter Zoom ist.
- Der Jump Cut bei 06:24:24 hat den sonderbaren Effekt, dass sich sein Hals sofort nach links verschiebt. Das ist nur möglich, wenn der Schnitt aus zwei unterschiedlichen Aufnahmen stammt. Jedoch sowohl der Soldat als auch das pulsierende Licht (in der Mitte zwischen den beiden, das linke) bleibt seiner Kadenz treu. Es handelt sich beim Hintergrund also um die gleich weitergeführte Aufnahme.
- Es finden sich keine Umgebungsgeräusche. Dies ist nur dann möglich, wenn ein Richtmikrofon eingesetzt sowie Noise Cancelling oder starke Kompression genutzt wurde.
- Der Klangeffekt seiner Stimme (z.B. Hall) entspricht nicht der weitläufigen Strasse. Dies ist nur möglich, wenn ein zielgenaues Richtmikrofon oder ein Ansteckmikrofon verwendet wurde. Letztgenanntes kann nicht gesehen werden.
- Generell ist es risikotechnisch unsinnig, sich so zu inszenieren. Eine Aufnahme an einem sicheren Ort wäre in jedem Fall zu bevorzugen, kann aber natürlich nicht die heroische Motivation erzeugen.
- Vorangegangene Aufnahmen waren offensichtlichere Greenscreens (z.B. fehlerhafte Perspektive beim Eintritt zu Beginn). Bei der neuen Aufnahme wurde, falls es sich denn auch um einen solchen handelt, ein Mehr an Aufwand in Perspektive und Ausleuchtung investiert. Die Konturen sind sehr gut, vor allem bei Haar und Bart. Dennoch gibt es Merkmale, die sich «falsch anfühlen».
Links
- https://www.facebook.com/zelenskiy.official/videos/308131214750902
- https://www.facebook.com/zelenskiy.official/videos/522978919259324
- https://www.tagesanzeiger.ch/439914937537
Tags
Sie suchen Interviewpartner?
Unsere Spezialisten kontaktieren Sie gern!