Interview auf 20 Minuten zum Thema Fake-Videos
Montag, 18. September 2023
Seit letzter Woche kursiert ein Video in den Sozialen Medien, worauf offenbar ein Murmeltier auf der Zürcher Rentenwiese zu sehen sein soll. Das Video mit über 100’000 Aufrufen ist jedoch fake. Marc Ruef hat sich mit 20 Minuten im Rahmen eines Faktenchecks darüber ausgetauscht, an welchen Merkmalen ein gefälschtes Video erkannt werden kann, und warum technische Beschaffenheit des Materials, wie aber auch die Szenerie und das Verhalten der Menschen selber eine wichtige Rolle bei deren Erkennung spielen.
Bei der Analyse von Fotos und Videos gibt es immer zwei Komponenten. Einerseits die technische Beschaffenheit des Bildmaterials:
- Es gibt Zwischenframes, die dupliziert werden, weshalb das zweite Frame nicht animiert ist. Das erste Zwischenframe weist Bewegungen auf, jedoch nur durch das Murmeltier. Das passiert nur einmal, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass das ein Kompressions-Artefakt ist.
- Das Color-Grading ist blass (wenig Kontrast, wenig Sättigung) und ändert sich plötzlich, als sich das Murmeltier bewegt. Das wurde voraussichtlich gemacht, um den echten Hintergrund dem eingefügten Murmeltier anzupassen.
- Die Kontur des Fells des Murmeltiers weist kein Subsurface Scattering bei den durch die Sonne beschienenen Teile des Rasens auf.
- Als die Kamera nach längerer statischer Betrachtung eine sachte Bewegung nach oben macht, verschiebt sich das Murmeltier um mehrere Pixel ab dem zweiten Frame. Dies deutet auf ein unsauberes Motion Tracking hin.
- Als die Hand dem Murmeltier zugeführt wird, wird rechts oben er Rasenbereich und der Untergrund leicht verzerrt. Ebenso als das Murmeltier zusammenzuckt.
- Als das Murmeltier die Flucht ergreift, stosst es sich mit seinen Hinterpfoten ab. Dabei bleiben die durch die Krallen erwarteten Kerben in der Erde aus.
- Das Murmeltier lässt sein Fressen fallen. Bei der Kamerafahrt der Verfolgung liegt dieses dann aber nicht wie erwartet dort am Boden.
- Als das Murmeltier aus dem Bild verschwindet, wird das Color-Grading korrigiert. Dies passiert jedoch nicht gleichmässig und gleichzeitig im Bild, sondern von links nach rechts. Dies sieht man sehr gut am grünen Rasen unter dem Arm, der immer mehr an Farbe gewinnt.
Zusätzlich ist es auch immer interessant zu beobachten, wie sich die Szenerie – vor allem die Menschen – verhält:
- Nur die ersten paar Sekunden sind verwackelt. Danach wird die Kamera sofort konsequent statisch positioniert. Dadurch wird das Motion Tracking vereinfacht.
- Es ist erstaunlich, dass im Hintergrund nur eine Person anhält, wartet und filmt. Diese Person ist per Zufall im gleichen Alter, wie die Filmschaffenden. Als sie den Bildausschnitt betritt, bleibt sie kurz unnatürlich stehen, als würde sie auf Regieanweisungen warten. Und wieso ist das Video dieser Person noch nicht aufgetaucht?
- Da das Murmeltier schon bei der kleinsten Bewegung erschrocken ist, ist es unintuitiv, ihm zu zweit rennend zu folgen. Was will man damit bezwecken?
- Die Geldbörse wird zurückgelassen. Das würde ich in einem öffentlichen Park nicht empfehlen.
- Die Eiben, in die das Murmeltier geflüchtet sind, wackeln nicht. Wenn ein solch grosses Tier in einen dermassen dichten Strauch flüchtet, wird man das sehen können.
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